Diagnoseverständnis

Diagnoseverständnis

Wie wir Diagnosen nutzen und verstehen

Diagnosen haben mehrere Funktionen

Am Anfang steht die Diagnose. So ist es auch in der Psychosomatischen Medizin und der Psychotherapie üblich. Je besser eine Diagnose, so das allgemeine Verständnis, desto besser ist sie als Ausgangspunkt für leitliniengerechte therapeutische Maßnahmen geeignet.

Damit Diagnosen möglichst gut voneinander unterschieden werden können, wurden Kriterienkataloge geschaffen wie die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, kurz ICD-10, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben wird.

Die ICD-10 dient in Deutschland als Grundlage für die Abrechnung gegenüber Kostenträgern wie Krankenversicherungen und Beihilfestellen.

Warum Diagnosen notwendig sind, aber nicht immer hinreichend

Aus unserer Sicht stellt die Diagnose eine notwendige, aber nicht in jedem Fall auch hinreichende Basis für die therapeutische Kooperation mit einer Klientin oder einem Klienten dar. Denn Diagnosen sind häufig Momentaufnahmen. Sie bündeln Wahrnehmungen (der diagnostizierenden Person) und Verhaltensweisen (der Klientin oder des Klienten) in einem bestimmten Zeitraum. Diagnosen können daher nur einen Teil der Lebenswirklichkeit eines Menschen abbilden.

Problematisch wird es aus unserer Sicht, wenn Betroffene die Diagnose als unveränderliche Eigenschaft ihrer Person interpretieren: Ich bin depressiv, ich bin kein vollwertiger Mensch, ich habe eine Störung. Anstelle: Was ich leidvoll erlebe, wird auch depressive Episode genannt. Ich kann lernen, damit umzugehen.

Wir interessieren uns aufrichtig für Menschen und ihre persönliche Geschichte

Aus hypnosystemischer Sicht wird Erleben, also das, was wir Menschen als Wirklichkeit wahrnehmen, Sekunde für Sekunde neu erzeugt. Erleben ist ein fortwährend andauernder Prozess bewusster und unbewusster Wahrnehmung und dabei stets individuell. So können zwei Menschen ein und dieselbe Situation wahrnehmen, aber sehr unterschiedlich erleben.

Deshalb begegnen wir im therapeutischen Prozess den Menschen, die zu uns kommen, mit aufrichtigem Interesse für ihr Erleben und die Hintergründe, die mit der Diagnose umschrieben werden.

Wir interessieren uns für ihre individuelle Geschichte hinter der Diagnose, für ihr Leben und ihre Wünsche. Welche bewussten und möglicherweise unbewussten Bedürfnisse könnten hinter ihrem leidvollen Erleben stecken? Für welche Lebenssituationen ist das leidvolle Erleben sogar verständlich und nachvollziehbar? Und welches gewünschte Erleben soll sich stattdessen einstellen?

Gerade die Frage nach dem konkreten "Stattdessen" ist wichtig für Betroffene, um sich in Richtung neuer, kraftvoller Ziele aufzumachen.

Deshalb stellen alle unsere therapeutischen Prozesse, die stets leitliniengerecht, ärztlich geleitet und validiert sind, sogenannte kokreative, gemeinsame Entwicklungen dar, bei denen die Diagnose ein Anfang ist, aber noch keine abschließende und vollständige Ausrichtung auf hilfreiche nächste Schritte bieten kann.